Christopher Clark – Die Schlafwandler
896 Seiten – Gebundene Ausgabe
Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt – Aus Sept. 2013
ISBN-10: 3421043590
ISBN-13: 978-3421043597
Christopher Clarks Studie über die Entstehung des Ersten Weltkriegs hat mich ziemlich beeindruckt. Man muss dem Australier bescheinigen, das er die komplexe Vorgeschichte dieses Krieges minutiös recherchiert und differenziert rekonstruiert hat. Vielleicht kann ich den Begriff Panorama einführen, denn so kommt mir die großartige Beschreibung des Geschehens, das zu diesem ersten Weltkrieg führte, vor.Im Vordergrund stehen bei Clark die zahlreichen Akteure, Schauplätze, die Diplomaten, Militärs, Minister, Kriegstreiber, gegenüber denen die „klassischen Erklärungsmuster“ für den Krieg zurücktreten. Ich bin gerne bereit Clarks Perspektive, wonach es keinen Automatismus gab, der zwingend in die Katastrophe führen musste, zu unterstützen.
Eindringlich zeigt der Autor auf, dass der Erste Weltkrieg auch „eine Art Kommunikationspanne“ war. Natürlich gibt es auch eine Kritik, wie es bei allen Beschreibungen jedes Historikers immer Kritik gibt. Ich finde, dass trotz der eindrucksvollen Recherche, manches unausgesprochen bleibt; z.B. ist zwar von Kriegstreibern die Rede, aber die klare Bezeichnung der kapitalistischen Wirtschaft, der Waffenschiede und Banker unterbleibt. Ich bin der Auffassung, dass man sich eine solch komplexe Historie nicht nur von einem Historiker erzählen lassen sollte und deswegen nenne ich den Titel „Das Zeitalter der Extreme“ von Eric Hobsbawm, den man zusätzlich lesen sollte.
Dennoch, dies ist durchaus eines jener wissenschaftlichen Bücher, das einem breitgefächertem Publikum zugänglich ist, da Clark nicht nur ein guter Historiker, sondern auch ein wunderbarer Erzähler ist. Als Australier ist er auch unvoreingenommen genug, keine besonders ausgeprägten (Zu-)Neigungen zu irgendeiner Seite zu haben; was der Objektivität förderlich ist. Ich habe schon sagen hören, dass dieser Mann „germanophil“ sei und Deutschland zu gut „weg kam“… mag sein. Aber das sind bürgerlichen Phrasen. Die Schuldfrage ist für mich nicht an die Staaten zu richten, sondern an das bei allen Beteiligten herrschende System. Ein sehr empfehlenswertes Buch.