Faktor Freude

Sabine Donauer – Faktor Freude:

Wie die Wirtschaft Arbeitsgefühle erzeugt

248 Seiten – Taschenbuch

Verlag: Edition Körber – Aus November 2015

ISBN-10: 3896841718

ISBN-13: 978-3896841711

Ein Buch, das Sie nur unterhält, ist eine angenehme Ablenkung, wenn Sie einmal nichts zu tun haben. Ich habe nicht das mindeste dagegen, Bücher nur der puren Unterhaltung wegen zu lesen; aber das hat leider keine Verbesserung der Verhältnisse zur Folge, in denen unser Leben steckt. Deshalb muss man hin und wieder auch mal seine Leselust auf ein Sachbuch verwenden, um sich Informationen zu beschaffen, die einem weiterhelfen… und hier kommt „Faktor Freude: Wie die Wirtschaft Arbeitsgefühle erzeugt“ von Dr. Sabine Donauer ins Spiel. Das Buch basiert auf ihrer ausgezeichneten Doktorarbeit.

Sabine Donauer studierte von 2002 bis 2007 Europäische Kulturgeschichte an den Universitäten Augsburg, Leiden, Paris I Panthéon-Sorbonne und Oxford. Sie besitzt zudem einen Masterabschluss im Fach Higher Education der Harvard University. 2013 schloss sie ihre Promotion mit dem Titel „Emotions at Work – Working on Emotions. On the Production of Economic Selves in Twentieth-Century Germany“ an der Freien Universität Berlin und am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung mit „summa cum laude“ ab. Für diese Forschungsarbeit erhielt Donauer den Deutschen Studienpreis 2014, den die Körber-Stiftung für herausragende Dissertationen mit besonderer gesellschaftlicher Relevanz vergibt. Seit Dezember 2013 ist sie Referentin am Bundesministerium für Bildung und Forschung, Abteilung »Europäische und internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung«.

Jahrtausende lang beschrieb man Arbeit als menschliche Tätigkeit zur Bereitstellung, Herstellung und Sicherung von Gütern, die der Erhaltung des natürlichen Lebens dienen. Erst seit wenigen Jahrhunderten, werden die Produzenten über die Erwerbsarbeit gezwungen, den Reichtum von Kapitalisten zu mehren. In all diesen historischen Zeiträumen war Arbeit – zumal Erwerbsarbeit – eine Last. Nach dem heutigen Verständnis von Erwerbsarbeit, soll sie nicht nur zum Erwerb des Lebensunterhalts dienen. Es ist den Unternehmern und ihrem Personalmanagement gelungen, den Beschäftigten einzureden, dass es auch der Selbstverwirklichung dient, sich selbstlos für Unternehmen einzusetzen, sogar sich bei der Arbeit gegen die eigenen Interessen zu verhalten und obendrein bei der eigenen Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht gleich nach mehr Geld zu fragen. Stellenanzeigen vermitteln oft den Eindruck, Arbeit diene vor allem der Sinnstiftung und biete fast sportliche Herausforderungen und die Entwicklung der Persönlichkeit.

Dr. Sabine Donauer untersucht in ihrer Dissertation die Entwicklung dieses Wandels im 20. Jahrhundert. Sie zeigt, dass die Art, wie wir heute über Gefühle am Arbeitsplatz reden und nachdenken, das Produkt komplexer historischer, ökonomischer und politischer Entwicklungen ist. Zahlreiche Quellennachweise und Fallbeispiele zitierend, vermittelt sie, mit welchen Anstrengungen, Konzepten und Methoden Großunternehmen, deren Lobby-Organisationen und Verbände über die Jahrzehnte hinweg Meinungs- und Wertebildung in der Gesellschaft manipulieren und bestimmen. Mit der Strategie, „dem Gefühl drückender Arbeitslast Lebensfreude entgegenzusetzen“ wurde und wird bis heute diese Auffassung befördert. Die Stoßrichtungen dieser besänftigenden, psychologisierenden und ideologischen Einflussnahme, verliefen dabei im Takt der gesellschaftlichen Befindlichkeiten und Politik. Ziel war, „den Arbeitsplatz als einen wohlgesinnten, integrativen Ort erscheinen zu lassen“, hin zu dem Versprechen, im Arbeitstakt, Termindruck, überlangen Arbeitszeiten – bis hin zur Selbstaufopferung – Selbstverwirklichung zu finden zu können.

Weil es den Kapitalisten im Laufe der letzten 100 Jahre gelungen ist, die Beschäftigten emotional an ihre Arbeit zu binden, haben sie höhere Leistungen erreicht ohne im selben Maß mehr Entgelt zahlen zu müssen. Dr. Donauer meint, dass die Beschäftigten obendrein einen sehr hohen Preis zu zahlen haben, denn die Kehrseite dieser Emotionalisierung der Arbeit und Identifikation mit Unternehmen, fördere den Individualismus und im Ergebnis eine weitreichende Entsolidarisierung der Beschäftigten und den Konkurrenzdruck der Beschäftigten untereinander.

Auch wenn das Werk nicht grundsätzliche Systemkritik ist, enthält es doch genügend Klarheit, mit der uns Dr. Donauer Mechanismen des kapitalistischen Wirtschaftens aufzeigt. Mit dieser sauberen Analyse lässt sich den ausbeuterischen Bestrebungen entgegenwirken: Der erzielte Produktivitätsfortschritt muss zu Arbeitszeitverkürzung verwendet werden und die neuen Maxime müssen Zeitsouveränität und Zeitwohlstand sein. Das Buch ist ein bereicherndes, provokatives und unbedingt lohnendes Buch für alle, die sich mit den negativen Auswirkungen krankmachender Arbeitsbedingungen beschäftigen müssen und für all jene, die es erst gar nicht dazu kommen lassen wollen.