Früchte des Zorns

John Steinbeck – Früchte des Zorns

530 Seiten – Taschenbuch

Verlag: dtv; Auflage – Aus Oktober 1985

ISBN-10: 3423104740

ISBN-13: 978-3423104746

Eine Bibliothek ohne die Klassiker, auch wenn sie nicht den bevorzugten Lesestoff enthalten mögen, ist keine richtige Bibliothek. Wenigstens eine Ecke sollte für die Klassiker der Weltliteratur reserviert sein. Jetzt könnte man natürlich trefflich darüber streiten, welche Autoren und/oder Werke zu dieser Klassischen Literatur gezählt werden müssen. Ziemlich unstrittig sollte der Name John Steinbeck sein, vor allem sein Werk „Früchte des Zorns“.

John Steinbeck gehört zu den meistgelesenen amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts; weltweit. 1962 erhielt er „für seine einmalige realistische und phantasievolle Erzählkunst, gekennzeichnet durch mitfühlenden Humor und sozialen Scharfsinn“ den Nobelpreis für Literatur. Geboren 1902, verfasste zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Novellen und Drehbücher, arbeitete zeitweilig als Journalist und war 1943 Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg. 1940 erhielt er für seinen Roman „Früchte des Zorns“, um den es hier im Weiteren gehen soll, den Pulitzer-Preis.

Ausgangspunkt für diesen Roman ist eine Artikelserie über die entwurzelten Kleinbauern und Landarbeiter, die Steinbeck 1938 im Auftrag einer Zeitung schreiben sollte. Ausgelöst von Trockenheit und Missernte verloren damals viele Kleinbauern und Landarbeiter ihre Existenzgrundlage in Oklahoma und zogen, angelockt von Nachrichten über den dortigen Reichtum, nach Kalifornien. Aus dieser sehr gut recherchierten Artikelserie wurde dann 1939 der Roman „Früchte des Zorns“. In diesem Roman wird die Geschichte der Familie Joad geschildert, die ihre Farm an eine Bank verliert und mit ihrer letzten Habe auf einem klapprigen LKW nach Kalifornien aufbricht, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen.

Sehr eindringlich beschreibt der Autor die Strapazen des Trecks, den die Großeltern nicht überleben. Doch schließlich kommen sie in Kalifornien an, aber sie finden freilich nicht das gelobte Land das sie sich versprochen hatten. Was sie finden ist eine herzlose, brutale und ausbeuterische Gesellschaft, die ihnen nicht die Spur einer Chance lässt. Sie müssen erleben, wie sie von Großgrundbesitzern für ihre Arbeit mit Hungerlöhnen abgespeist werden… genau wie die Arbeiter, die schon länger da sind. Für diese Arbeiter sind die Neuankömmlinge nichts weiter als Konkurrenten und daraus folgt Anfeindung und Hass. Auf den Gedanken sich solidarisch zu verhalten kommt da niemand.

Aus Farmern werden am Ende Bettler, weil man ihnen auch keine Chance gibt eigenes Land zu erwerben. Die Besitzer brachliegender Flächen spekulieren lieber damit und jeder Versuch dagegen Widerstand zu leisten, wird von der Polizei (die mit den Spekulanten unter einer Decke steckt) brutal unterdrückt. Verzweifelt versuchen die Joads dennoch, auch im Elend, einen Rest von menschlicher Würde zu bewahren.

Das Echo auf diesen Roman war gewaltig. Offensichtlich hatte John Steinbeck einen Nerv getroffen – entsprechend waren die Reaktionen. Gegenschriften wurden veröffentlicht, mit denen versucht wurde, das Werk als Hirngespinst zu diffamieren. Politiker und Bischöfe der katholischen Kirche verdammten den Roman und den Autor als Volksverhetzer und Klassenkämpfer. Aber Steinbeck wurde auch als Anwalt der Unterdrückten und Ausgebeuteten gefeiert 

Ich habe diesen Roman das erste Mal vor Jahrzehnten als idealistischer junger Mann (Vertrauensmann meiner Gewerkschaft) gelesen, nachdem ich den Film, mit Henry Fonda in der Hauptrolle, gesehen hatte und war sofort von der Struktur, der klaren Sprache und der spannenden Handlung gefesselt. Leider haben die geschilderten Machenschaften nichts von ihrer Aktualität verloren, denn auch heute werden Migranten in der Gesellschaft auf der Arbeit von geschundenen Menschen aufgebaut, die in Schuldknechtschaft oder gar Sklaverei gehalten werden. Auch heute noch wird mit Grund und Boden spekuliert und oft genug werden von der Polizei eher Eigentumsrechte als Menschenwürde verteidigt.

Heute 80 Jahre nach dem Erscheinen dieses Romans halte ich die Lektüre dieses Buches, z.B. im Schulunterricht, für dringend erforderlich… angesichts der aktuellen Bezüge. Trotzdem das Werk John Steinbecks aus einer ganz anderen Zeit zu uns kommt, wirkt es auf mich immer noch lesenswert, seltsam aktuell und – trotz aller Sozialkritik – auch unterhaltsam. Das mag daran liegen, dass John Steinbeck offensichtlich in jeder Beziehung genau weiß von was er schreibt. Ein Buch, das auch nach achtzig Jahren thematisch noch in weiten Teilen der Welt aktuell ist, ist Weltliteratur und gehört alleine deswegen schon, jede gut sortierte Bibliothek. Ich hoffe, meine Bemerkungen waren hilfreich…