Kate Pickett und Richard Wilkinson – Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind

Kate Pickett und Richard Wilkinson – Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind

368 Seiten – Gebundene Ausgabe
Verlag: Haffmans & Tolkemitt – Aus Januar 2013
ISBN-10: 3942989387
ISBN-13: 978-3942989381

Es gibt Begriffe, die sind schon so lange politisch dermaßen falsch aufgeladen, dass man lange erklären muss wie und zu welchem Zweck man den Begriff gebrauchen will, damit die mittlerweile eingefleischten Beißreflexe ausbleiben und man vernünftig miteinander sprechen kann. Einer dieser Begriffe ist der Begriff „Gleichheit“. Schon in der Initialzündung des modernen gesellschaftlichen Fortschritts, der Französischen Revolution von 1789, war dieser Begriff umstritten – und häufig wird er noch heutzutage (willentlich, absichtsvoll oder unbewusst) in einem Atemzug mit Gleichmacherei benutzt. Sprache ist schon ein Phänomen – meist gibt für ein fest definiertes Ding auch ein festgelegtes Wort… deswegen ist Gleichheit nicht Identität, was ja bekanntlich völlige Übereinstimmung bedeutet. Gleichheit meint ein bestimmtes Maß an Übereinstimmung. 

Hier kommt nun das Buch mit dem etwas sperrigen Titel „Gleichheit ist Glück: Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind“, von Kate Pickett und Richard Wilkinson ins Spiel, in dem sie behaupten, dass große Ungleichheit in der Verteilungsfrage, für alle Teile der Gesellschaft schlecht sei, hohe Kosten verursacht und dem Glück der Menschen im Wege stünde. Nun, die Erkenntnis, dass sozio-ökonomische Ungleichheit Gesellschaften spaltet und ihnen schadet, ist keine Neuheit. Aber das Autorenteam bringt es fertig, das mit wissenschaftlich evidenten Daten zu belegen und damit das Problem handhabbar zu machen. 

Richard Wilkinson ist einer der international führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Erforschung von Ungleichheit und sozialen Einflüssen auf die Gesundheit. Er hat an der London School of Economics Wirtschaftsgeschichte studiert. Wilkinson ist emeritierter Professor der Nottingham Medical School und Honorarprofessor am University College London. 

Kate Pickett ist Senior Lecturer an der Universität York und forscht am englischen National Institute for Health Research. Sie hat Anthropologie in Cambridge studiert, Ernährungswissenschaften an der Cornell University und Epidemologie in Berkeley, bevor sie vier Jahre Assistenzprofessorin an der University of Chicago wurde. 

Wie gesagt argumentiert das Werk, dass die Ungleichheit schädliche Auswirkungen auf die Gesellschaften hat. Sie untergrabe das Vertrauen, schüre Ängste und erhöhe das gesundheitliche Risiko. Pickett/Wilkinson behaupten, an 11 gesellschaftlichen Problemen nachweisen zu können, was Folge von Ungleichheit ist. Diese 11 Themen sind: Körperliche Gesundheit, psychische Gesundheit, Drogenmissbrauch, Bildung, Kriminalität, Fettleibigkeit, soziale Mobilität, Vertrauen und Gemeindeleben, Gewalt, Schwangerschaften im Teenageralter und Wohlbefinden von Kindern. Die sozialen Konsequenzen ökonomischer Ungleichheit lassen sich anhand von Daten, die im Rahmen von WHO-Studien erhoben wurden, belegen. 

Im Ergebnis lassen sich durch ihre weitreichende Analyse der sozialen Folgen der Einkommensungleichheit, anhand der erwähnten Daten aus seriösen unabhängigen Quellen, die entsprechenden Indizes der Gesundheit und der sozialen Entwicklung in 23 der reichsten Nationen der Welt und in den einzelnen US-Bundesstaaten ableiten. Ihre auffallende Schlussfolgerung ist, dass die Gesellschaften, die am besten für ihre Bürger sorgen, diejenigen mit den geringsten Einkommensunterschieden sind: z.B. Japan und die nordischen Länder. Diejenigen Staaten, die am schlechtesten für ihre Bürger sorgten, seien auch die Länder mit den größten Ungleichheiten: z.B. die USA oder GB. 

Fazit: Das Buch ist trotz der Fülle von Fakten, die jede Behauptung zu belegen scheinen, dennoch gut zu lesen, weil die ruhige Sachbuchsprache sprachliche Polarisierungen vermeidet. Der statistische Zusammenhang zwischen dem Grad der Ungleichheit in entwickelten Ländern und vielen sozialen Problemen, wie Lebenserwartung, psychischen Erkrankungen und Drogenkonsum, Gewalt und Verbrechen, Fettleibigkeit, schulischen Problemen und Bildungsniveau und Mädchen als Mütter wird meiner Ansicht nach klar nachgewiesen. Selten, dass ich das so deutlich habe lesen können, wie z.B. in den USA aber auch in Europa die soziale Ungleichheit in den letzten Jahren zugenommen hat und unter welchen Bedingungen, in den einzelnen Ländern, was zum Abbau der sozialen Ungleichheit getan wurde. Die Autoren stellen fest: „Die Probleme in den reichen Ländern erklären sich nicht aus zu wenig oder zu viel Reichtum, sondern aus dem sehr starken Wohlstandsgefälle innerhalb dieser Gesellschaften…Tatsächlich hat der Grad sozialer Ungleichheit einen viel größeren Einfluss auf die Lebenserwartung, als die Qualität der medizinischen Versorgung… Alles deutet darauf hin, dass der Abbau von Ungleichheit der beste Weg zur Verbesserung unserer sozialen Lebenswelt und damit der Lebensqualität für alle ist.“ (39 f.)

Das Buch ist aber nicht nur geeignet den Erkenntnisstand zu erweitern, sondern auch eine Aufforderung: Macht endlich Schluss mit der Politik der Ungleichheit. Das Buch ist, für alle die sich etwas intensiver mit diesen Fragen beschäftigen, ein Gewinn und für jene, die sich erst jetzt an das Thema wagen, unverzichtbare Grundlage für die Gestaltung von politischen Konzepten.