„Projekt Morgenröte“

Projekt Morgenröte: Roman von [Clarke, Arthur C.]

Arthur C. Clarke – Projekt Morgenröte

Format: Kindle Ausgabe

Dateigröße: 973 KB

Seitenzahl der Print-Ausgabe: 245 Seiten

Verlag: Heyne – Aus Februar 2014

Die zweite Erde

Mein Großvater las Science-Fiction, lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Er las Zukunftsromane und neben den Romanen anderer Autoren, war er ausgesprochener Liebhaber (den Ausdruck Fan gab es für ihn auch nicht) von arthur C. Clarke, den er in den 1950er Jahren kennengelernt hatte. Warum erwähne ich das? Nun, weil mein Großvater mich das Lesen lehrte… also nicht nur die Aneinanderreihung von Buchstaben, sondern das Erfassen von Texten. Und er war es auch, der mir meine ersten Bücher schenkte – unter anderem Zukunftsromane Arthur C. Clarke. Damit war die Neugierde auf diese Art Literatur geweckt und sie ist bis auf den heutigen Tag nicht kleiner geworden.

Arthur C. Clarke (1917-2008) schrieb seit den 1930er Jahren Zukunftsromane und gehörte somit zu den prägenden Schriftstellern des Genres Science Fiction. Er muss als einer der Pioniere dieser Literatur gelten. Der Brite gehört in eine Reihe mit Hans Dominik aus Deutschland, Robert. A. Heinlein aus den USA, Stanislaw Lem aus Polen oder der aus Russland stammende Isaac Asimov. Clarke zählte zu den wissenschaftlich-technischen Visionären des Genres und sein belletristisches Werk wird heute zum Sub-Genre der Hard Science-Fiction gezählt. Seinen Durchbruch in Deutschland hatte er in den 1950er Jahren

Natürlich beruht auch Fantasie, zum Teil auf dem Erkenntnisstand der Zeit – man kann die Dinge nur weiterdenken. Deswegen darf man die frühen Werke Clarkes auch nicht mit den Maßstäben heutigen Erkenntnisstands messen. Der heutige Erkenntnisstand über unser Sonnensystem, den näheren und ferneren interstellaren Raum und die Physik des Universums ist schon bei heutigen Schülern höher, als er Anfang der 1950er Jahre bei Lehrern war. Bei Clarke ist es erfrischend, dass er – im Gegensatz z.B. zu Robert A. Heinlein – keine ideologisch tendenziösen Aussagen in seine Werke schrieb; insofern kommt er mir schon in seinen frühen Werken modern rüber.

Zum Roman: Die erste deutsche Fassung von „The Sands of Mars“ aus dem Jahre 1951, erschien 1953 unter dem Titel „Projekt Morgenröte“. Der eigentliche Protagonist des Romans der berühmte Science-Fiction-Autor Martin Gibson, der als Gast der Besatzung des Raumschiffs Ares zum Mars darf (quasi als der erste Weltraum-Tourist). Wie bei den Routineflügen zum Mars üblich, startet die interplanetare dreimonatige Reise auf der orbitalen Raumstation One. Dort trifft er Jimmy Spencer, der auf der Raumstation eine Ausbildung als Astronaut absolviert. Als Teil der Ausbildung hat Jimmy die Aufgabe, die Fragen des Autors zur Technologie der Raumfahrt zu beantworten.

Aus dem beruflichen Kontakt während des Flugs zum Mars entwickelt sich eine Freundschaft, dennoch gehen die beiden auf dem vierten Planeten getrennte Wege, das Gibson für seine Arbeit z.B. den Bürgermeister der Marsgemeinde Port Lowe, Mr. Whittaker, interviewen muss, während Jimmy weiter an seiner Ausbildung arbeitet. Er diskutiert auch mit dem Geschäftsführer der Marsmission, Warren Hadfield, über die Zukunft der Kolonie. Hadfield ist der Auffassung, dass die Mars-Kolonie, angesichts der großen Entfernung zur Erde, so autark wie möglich werden muss, damit z.B. Materiallieferungen von der Erde unnötig werden.

Um diese Autarkie zu erreichen, werden Maßnahmen ergriffen, die geeignet erscheinen, die Marsatmosphäre zu verdichten und mit Sauerstoff anzureichern; z.B. werden marsianische Pflanzen kultiviert. Aber es gibt auch noch schwerwiegendere Projekte, die alles bisher Dagewesene übertreffen: In einem Gespräch mit Gibson enthüllt Hadfield, dass Wissenschaftler an „Project Dawn“ arbeiten. Hinter dem Codewort verbirgt sich die Absicht, den Marsmond Phobos zu „zünden“, um ihn quasi als zweite Sonne einzusetzen.

Er soll mindestens tausend Jahre lang brennen und die zusätzliche Wärme, zusammen mit der Massenproduktion der sauerstofferzeugenden Anlagen, wird schließlich – so hofft man – die Marsatmosphäre für den Menschen gut verträglich zu machen. Gibson ist von der Bedeutung des Mars als autarke Welt so überzeugt, dass er sich um den Verbleib auf dem Planeten bewirbt; er wird die Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen, um den zukünftigen Mars für potenzielle Kolonisten attraktiv zu machen.

Natürlich habe ich als Jugendlicher noch nicht über das Hintergrundwissen besessen, das mir heute zur Verfügung steht. Natürlich hatte ich noch nicht die politischen Prägungen, welche mich heute ausmachen. Und auch die Kritikfähigkeit, die sich bekanntlich aus den Prägungen und dem Wissen speist, war dem entsprechend noch nicht entwickelt. Völlig unkritisch gegenüber der Atomtechnik, kein Gedanke an Umweltprobleme oder Erhalt von natürlichen Biosphären und begeistert von Raketentechnologie, habe ich als Jugendlicher völlig begeistert den Roman gelesen.

Ich traue kritischen Jugendlichen zu, dass sie Unterhaltung losgelöst von Technologiekritik genießen können… natürlich haben solche technologischen Entwicklungen auch ihre Schattenseiten hervorgebracht. Aber wenn es mir hin und wieder gelingt, all den Kopfballast abzuwerfen, dann kann ich Clarkes Romane auch heute noch (nur so zum Spaß) sehr gut lesen; in Gedenken an meine Kindheit und Jugend in den 1960ern… und an meinen lieben Großvater, der quasi an dieser Besprechung schuld ist.