Alfred Döblin „Berge, Meere und Giganten“

Alfred Döblin sagt über sich selbst: Ich tue meine Facharbeit, bin aktiv in allen möglichen Organisationen, ärgere mich, tanze (ziemlich schlecht, aber dennoch), mache Musik, beruhige einige Leute, andere rege ich auf, schreibe bald Rezepte, bald Romankapitel und Essays, lese die Reden Buddhas, sehe mir gern Bilder in der Wochenschau an… das alles ist meine Produktion. Wenn mir eines davon oder das andere Geld bringt: herzlich willkommen. Im übrigen bin ich ein Mensch und kein Schuster… Ich hatte weder eine Rente noch einen Mäzen…

Welch ein Allerweltsmensch könnte man ausrufen – jedenfalls könnte man nicht so ohne weiteres vermuten, dass hinter diesem Menschen wohl der Autor des aller ersten wirklichen deutschen Science-Fiction Romans steckt. Und mit welch einem Urknall (um mal im Bilde zu bleiben) tritt er damit vor die Literaturgeschichte hin!

Döblin ist nun schon wohl bekannt – spätestens nach seinem Wallenstein, hält man ihn in Deutschland für einen (wenn auch nicht unumstrittenen) Grossen der Literatur. Doch was ist das nun wieder? Da hat man ihn schon in der Schublade gehabt als den Geschichtsroman-Döblin… und nun das! 1924 – Berge, Meere und Giganten erscheint… und nennt sich Zukunftsroman. Doch schlauere Menschen als ich es bin – und vor allem Menschen, die sich mit Literatur besser auskennen, ziehen eine Verbindung von Wallenstein (auch unter meinen Besprechungen bei ciao zu finden) zu Berge, Meere und Giganten. So schreibt G. Grass, der übrigens Döblin als seinen Lehrer sieht, dass er das Ende des Romans Wallenstein auch bereits als eine Überleitung zu Döblins folgendem utopischen Abenteuerroman ‚Berge, Meere und Giganten‘.

Der Roman spielt im 27. Jahrhundert. Der Fortschritt der Menschheit ist gewaltig – der Mensch beherrscht unglaublich große Kräfte. Döblin beschreibt die Menschen wie sie strahlender und funkelnder, geschliffener nicht sein könnten. Es gibt Ingenieure, Politiker, Feldherrn… Entdecker, Arbeiter und natürlich auch Frauen… Alle kämpfen, suchen, leiden und zerstören. Er beschreibt Einzelschicksale und die Grenzen einzelner Menschen, er denkt sich ungeahnte Ergebnisse von Forschung aus. Künstliche Lebensmittel. Das Szenario heutiger Friedensforscher, dass Entwicklungsländer Kriege gegen die sog. Zivilisierten führen, beschreibt Döblin schon in diesem Buch.

Riesige Umweltzerstörungen im Namen des Fortschritts… kommt das jemandem bekannt vor? Man will die Erdkräfte unterjochen und sprengt die Vulkane Islands… Grönland wird enteist – aber man lernt auch aus grausigen Katastrophen. Aber welche Lektionen lernt man? Das Ende ist schrecklich… Alfred Döblin macht in Berge, Meere und Giganten fruchtbaren Ernst mit Belletristik…

Alfred Döblins Roman ist unfassbar… Wie ein rasendes, tobendes, unheimliches Tier warft er sich auf mich. Er wirbelte mich herum wie ein Tornado – der mich bald verschlang und bald ausspie. Zuweilen wünschte ich zu aus einem bösen Traum zu erwachen – bis ich merkte, dass ich doch hellwach war. Ernst Blass sagte 1924 von diesem Buch, es sei banal darüber zu reden…

Wilfried John

Berge, Meere und Giganten
Alfred Döblin
537 Seiten – Taschenbuch
Verlag: Suhrkamp – von 2001
ISBN: 3-5183-9767-2
17,- €