Stürmische Zeiten
Pro: Aufrüttelnd, eindringlich und ausdrucksstark erzählt
Contra: Nicht das beste Werk jenes wieder neu zu entdeckenden Schriftstellers
Schnäppchen. Hätte ich die Möglichkeit allein zu entscheiden, welches Wort das Unwort der letzten Jahre sein soll, dann würde ich dieses Wort ganz sicher in die engere Wahl nehmen. Dabei ist das Wort nicht ganz neu und kam früher in viel klarerem Gewand daher. Es hieß auch schon „Der billige Jakob“ und hatte die Bedeutung von „Geiz ist geil“. Dabei war aber die Wirk-Richtung des Geizes allerdings viel offenbarer, als es vielfach heute der Fall ist. Geizig konnten ja nur jene sein, die genug hatten, um sich ein Guthaben bilden zu können, mit dem sie dann knauserig sein konnten. Geiz ging also von Reich zu Arm – niemals umgekehrt.
Heutzutage haben uns die Werbetrommler in den uns überall und jederzeit umgebenden Medien zweierlei eingebläut (was dieses Thema betrifft… sie haben uns auch noch mancherlei anderen Unsinn beigebogen): Erstens haben sie uns den unsinnigen Gedanken beigebogen, dass es sparen sei, wenn wir Geld ausgeben… und sie haben es zweitens geschafft, dass wir überzeugt sind, wir täten uns einen Gefallen, wenn wir das billigste Zeug kaufen. Gewiss, man hat bei der Anschaffung von notwendigen Gebrauchsgütern, notgedrungen schon immer auf den Preis geschaut… weil man die angesparten, meist kümmerlichen, über die Lebensführung hinaus gehenden Überschüsse seiner Arbeit so gut wie möglich anlegen musste. Dabei schaute man auf Qualität und Haltbarkeit, denn das war lebensnotwendig; schließlich konnte man nicht beliebig auf erspartes Geld zurückgreifen. Sparen ist also das Gegenteil von Geldausgeben. Auf den Preis achten ist also seine (Lebenshaltungs-)Kosten so gering wie möglich zu halten.
Ebenso gewiss ist es, dass mit solcher Art zu wirtschaften, die Hersteller ihre Umsätze nicht beliebig ausweiten können… Also musste das den Verbrauchern ausgetrieben werden – konsumieren wurde zur obersten Priorität postuliert. Die Menschen, zumindest in den entwickelten Ländern ließen sich, bekanntermaßen, darauf ein und das System funktionierte ja auch eine zeitlang; so lange jedenfalls, so lange die Märkte noch wuchsen, beziehungsweise schneller wuchsen, als der Produktivitätsfortschritt. Das ist nun anders… die Produktivität steigt schneller. Bei gleichzeitigem Bestreben der Unternehmer nach Profitmaximierung, ist die Folge, dass Unternehmer versuchen die Löhne und Gehälter, die in ihrer Rechnung ja als Kosten aufschlagen, zu senken. In diesem Falle ist Geiz für die Kostenrechnung geil…
Da mit den Löhnen und Gehältern aber auch die Nachfrage nach Produkten bezahlt wird, sind sie nicht beliebig zu senken… oder man muss sich Leute suchen, die weniger Geld als Preis für die Arbeitskraft verlangen… besser noch, die – aus welchen Gründen auch immer – weniger verlangen können. So werden Produktionen in die sog. Billiglohn-Länder verlagert; wobei das Wort Billiglohn-Land auch gute Chancen für das Unwort des Jahres hat, denn es will uns weis machen, dass die Menschen freiwillig weniger Geld verlangen. Nun beginnt sich der Teufelskreis zu schließen. Hierzulande haben weniger Menschen Arbeit, verdienen die Menschen weniger Geld und können nicht mehr konsumieren… der Profit soll so hoch bleiben wie er war und so wird weitere Arbeit verlagert… Verlierer sind die arbeitenden Menschen; hier wie dort.
Wenn diese Verlagerungen wenigstens zu nachhaltigen Entwicklungen anderwärts führen würden, wäre ich ja noch bereit einzugestehen, dass es den Menschen dient. Aber es ist ja geradezu im System angelegt, dass Niedriglohn-Länder sich nicht entwickeln dürfen… niedrige Löhne, keine oder kaum Sozialleistungen, keine gewerkschaftliche Vertretung, keine Umweltauflagen etc. und zudem die Zerstörung der handwerkschaftlichen Strukturen und damit Abhängigkeit an die Konzerne. Und hierzulande jagt man weiter Schnäppchen nach, als wenn niemand die Kostenrechnung zu bezahlen hätte… So wurden unlängst protestierende Arbeiter der südkoreanischen Automobil-Industrie mit Polizeiknüppeln und Militärgewehrkolben zurück in die Fabriken getrieben, weil sie etwas mehr Geld haben wollten…mit ihren Löhnen konnten sie kaum das lebensnotwendige kaufen.
Oder wenn ich hier bei den Winzern einen guten Wein kaufe und den Preis mit einem südafrikanischen Wein im Supermarkt vergleiche, dann stelle ich fest, dass der afrikanische Wein bei gleicher Qualität – trotz Transport etc. – womöglich billiger ist. Aber wenn man weiß, dass viele Weingüter in SAR ihre Arbeiter kaum mit Geld bezahlen, oft nur mit Naturalien (es gibt Berichte darüber, dass selbst schwangeren Arbeiterinnen ihren Lohn in Form von Alkohol bekommen… ganz gleich was der Armutssuff mit dem ungeborenen Leben macht), dann sieht man, wohin unser Schnäppchenwahn führen kann.
Dabei ist das nicht neu… auch wenn man uns das alles – mit dem Stichwort Globalisierung – als Neuheit verkaufen möchte. Ausbeutung von Rohstoffen, Ausbeutung von Menschen durch internationale Großkonzerne sind (fast) so alt wie das System an sich. Wohin deren Geschäftstätigkeit führt, das kann man leicht mit einem Blick in die Geschichte erkennen. Sie führte immer wieder zu Zusammenbrüchen ganzer Volkswirtschaften und zu blutigen Kriegen, Bürgerkriegen und Revolutionen. Leserinnen und Leser meiner Rezensionen werden ahnen, dass spätestens jetzt ein Hinweis auf Lateinamerika kommen wird… das ist richtig. Sozusagen als Musterbeispiel solcher Geschäftspraktiken ist die berüchtigte us-amerikanische United Fruit Company (kurz UFC oder Company).
Viele Lateinamerikanische Autoren nahmen die Machenschaften dieses Unternehmens und die sie stützenden politischen Helfer zum Thema… als modernes Musterbeispiel, sei der weltberühmte Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ erwähnt (hier bei Ciao vorgestellt). Aber es gibt auch, bestimmt ebenso berühmte wie lesenswerte, Vorgänger von Gabriel Garcia Marquez. Einen davon, einer der berühmtesten, ist der Guatemalteke Miguel Angel Asturias (kurz MAA). Er war – und ist immer noch – einer der hervorragenden Vertreter der Lateinamerikanischen Literatur, ja sogar der Weltliteratur; nicht umsonst wurde ihm 1967 der Nobelpreis für Literatur verliehen. Aber ich greife zu weit vor… und zunächst möchte ich MAA in seinen Lebensumständen und seiner Biographie etwas näher beleuchten, da das für das hier vorzustellende Buch „Sturm“ von maßgeblicher Bedeutung ist.
Miguel Angel Asturias wurde im Jahre 1899 in Guatemala de la Asuncion/Guatemala geboren. Er stammte aus einer, gemessen an den – damals wie heute – üblichen Verhältnissen, gut situierten Familie. Seine Mutter war Lehrerin in der Hauptstadt und sein Vater war Jurist und arbeitete als Richter. MAA wurde in eine Zeit heftiger politischer Auseinandersetzungen hinein geboren. Als er drei Jahre alt war, fiel sein Vater bei dem gerade an die Macht gekommenen Diktator Cabrera Estrada in Ungnade, weil er gegen demonstrierende Studenten kein Exempel statuiert hatte, sondern sie laufen ließ. Wenige Jahre später wäre das vielleicht sein Todesurteil gewesen, so wurde er „nur“ in die Provinz verbannt.
In Salama/Guatemala verbrachte MAA die frühe Kindheit und ging ab seinem siebten Lebensjahr zurück in die Hauptstadt, um dort die Schule eines christlichen Konvents zu besuchen. Seine Hochschulreife erlangte er jedoch an einem bekanntermaßen antiklerikalen staatlichen Gymnasium. Religiosität und Aufklärung – zwei Seiten, die für seine Literatur später eminent wichtig werden sollte. Ab 1917 studierte MAA Medizin und später dann doch Jura wie sein Vater. Wie gesagt, es waren unruhige Zeiten und MAA war politisch aktiv. So war er Mitbegründer des Studentenverbandes und beteiligte sich am Widerstand gegen Cabrera Estrada. 1927 promovierte er und ging kurze Zeit später nach Paris, wo er an der Sorbonne Vorlesungen in Ethnologie hörte und Studien in der Nationalbibliothek trieb (hier sei auf Alfred Döblin „Amazonas-Trilogie“ verwiesen – auch bei Ciao vorgestellt).
1933 kehrte er nach Guatemala zurück und arbeitete zunächst bei der Zeitung der Regierungspartei von J. Ubico, des Nachfolgers des Diktators Cabrera Estrada. Später gründete MAA den Radiosender „Dario del Aire“ – mit Duldung des neuen Machthabers. Als der jedoch durch einen von jungen linksgerichteten Offizieren organisierten Umsturz 1944 vertrieben wurde, ging MAA vorsichtshalber nach Mexiko. Der aus den ersten freien Wahlen als Präsident hervor gegangenen Juan Josè Arèvalo rehabilitierte MAA und machte ihn, da er nun mal schon dort war, zum Kulturattaché in Mexiko. 1949, sein Roman „Maismenschen“ war gerade erschienen, für den er später den Nobelpreis erhalten sollte, wurde er aus Mexiko abberufen und sollte Botschafter in Argentinien werden.
Im Januar 1950 unternahm MAA eine Urlaubsreise an die guatemaltekische Pazifikküste, gerade in jene Region, in der die UFC alle wirtschaftlichen und öffentlichen Fäden in der Hand hielt. Er besichtigte die Plantagen, machte sich ein Bild über die wirtschaftlichen und politischen Methoden der UFC und sprach mit den Landarbeitern. MAA war schockiert. Zurück in der Hauptstadt, schrieb er in wenigen Tagen eine Erzählung, die später im Roman „Sturm“ das Abschlusskapitel werden sollte. In Mexiko war 1949 ein Buch zweier us-amerikanischer Autoren erschienen, das MAA ebenfalls als Material diente. In diesem Buch wird so etwas wie eine „Taktik der humanen Ausbeutung“ beschrieben: Um Profit und Stabilität der Firma zu sichern, schlugen die beiden US-Amerikaner vor, die Landarbeiter durch verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen zu beschwichtigen, da nackte Gewalt und brutale Ausbeutung nur den Protest der Armen zur Folge hätte und den Ruf der Firma gefährde.
In nur vier Monaten schrieb MAA in seiner neuen Stellung, als Botschafter in Buenos Aires, den ersten Roman der sog. Bananentrilogie, der unmittelbar nach der Fertigstellung in Guatemala erschien… und für sehr lebhafte Diskussionen sorgte. 1951 wurde Jacobo Àrbenz Guzmán zum neuen Staatspräsidenten gewählt und er wollte die demokratischen Reformen (damals verdienten staatliche Änderungsmaßnahmen den Namen Reform noch…) weiterführen und sogar beschleunigen. 1952 enteignete der neue Präsident 53576 Hektar UFC-Land und entschädigte die Firma mit 627572 US-Dollar – exakt der Summe, welche die Firma in der Steuererklärung angegeben hat.
Die Nachkriegszeit in Europa und der Kalte Krieg brachten in Amerika einen Rechtsruck… Eisenhower wurde Präsident und der bekämpfe die Roten wo er konnte. Mit Hilfe des CIA wurde 1954 die fortschrittliche guatemaltekische Regierung weggeputscht und die UFC bekam ihr Land zurück. MAA, der mit seinem Buch mithalf den ganzen Staub aufzuwirbeln, musste ins Exil. Er fand es in Argentinien, Frankreich und Italien. 1966 erlaubten die Militärs, auf Druck der USA, Wahlen und der Sieger der Wahlen Méndez Montenegro (der von MAA aus dem Exil heraus empfohlen wurde), ernannte MAA zum guatemaltekischen Botschafter in Paris. 1967 erhielt MAA den Nobelpreis. In seiner Dankesrede fasste er seine literarische Konzeption so zusammen: Der Roman ist ein Zeugnis der Geschichte, und dem Schriftsteller kommt die Aufgabe zu, die Leser auf die wirklichen Probleme Lateinamerikas aufmerksam zu machen.
1970, nach dem Ende der Amtszeit Montenegros, gab er seine Diplomatentätigkeit auf. Er erkannte, dass in Guatemala praktisch das Militär die Macht ausübte und die blutige Gewalt nicht zu beenden war. Es blieben ihm gerade noch vier Jahre, in denen er weiter schrieb und, hoch geachtet, Vortragsreisen unternahm. 1974 hielt er sich in Spanien auf und musste wegen akuter Gesundheitsprobleme in Madrid ins Krankenhaus, wo er am 9. Juni an einer Krebserkrankung starb. Ich möchte diesen großen Schriftsteller, mit seinem ersten Roman der sog. Bananentrilogie „Sturm“ – sozusagen in Stellvertretung für sein überaus interessantes und lesenswertes Lebenswerk – vorstellen.
Hauptthema des Romans ist, wie schon erwähnt, die Agrarfrage in den Plantagen der UFC. Ebenso sind die Ansichten der beiden oben genannten US-Amerikaner, eine der Quellen aus denen sich „Sturm“ speist. MAA beschloss, die Ideologie der „humanen Ausbeutung“ einer der Hauptpersonen des Romans in den Mund zu legen. So wurde ein – durchaus sympathisch wirkender – US-Amerikaner namens Lester Mead (auch Cosi genannt), zum Protagonisten eines kritischen, lateinamerikanischen Romans. Lester Mead ist also gegen die Gewalt gegen die einheimischen selbstständigen Bauern und verbündet sich mit ihnen. Aber er hat sozusagen zwei Gesichter. Nach außen vertritt er eine Politik des gegenseitigen Vorteils zwischen der Company und den kleinen Pflanzern; er verteidigt ihre Interessen, indem er die Company dazu bewegt, die für den Export bestimmte Produktion der Bananenpflanzer zu kaufen und ihnen technische Unterstützung zu gewähren. Nach innen jedoch ist der Millionär einer der prominentesten Aktienbesitzer der Company.
In der tropischen Natur jenes, im Buch nicht namentlich erwähnten, Landes begegnet er einer Frau namens Leland Foster und verliebt sich ins sie. Später wird er sie heiraten. Durch sie fühlt er sich noch mehr an jenes Land und seine Menschen gebunden. Er und seine Frau glauben – in einer gewissen Naivität – fest daran, dass durch fleißige Arbeit, Wohlstand für alle Menschen erreichbar ist. Für die anderen leitenden Mitglieder der Company ist er jedoch ein Träumer, der die Aktiengesellschaft in einen Wohltätigkeitsverein verwandeln will.
Die Company, die anfangs die Produktion der Bananepflanzer aufgekauft hatte, erkennt recht bald, dass sie stark genug geworden ist, um auf diesen Aufkauf zu verzichten. Durch skrupellose Beeinflussung, besitzen sie nicht nur Grund und Boden, sondern verfügen auch über Schiffe, die Eisenbahn, den Hafen und die Elektrizitätswerke (heute verfügen sie sogar darüber hinaus auch auf die Post und Telekommunikationsmittel – siehe auch den unten empfohlenen Artikel). So werden die Bauern ruiniert und als die Ruinierten bei den Verwaltern nachfragen wer dafür verantwortlich ist, bekommen sie zur Antwort, dass es sich um Leute handelt, die hier niemand kennt.
Nun tritt aus der anonymen Masse der Bauern eine weitere Hauptfigur des Romans hervor: der Bauer Hermenegilo Puac. Ab diesem Moment wird die Diktion des Romans gewissermaßen mystisch und zu einer jener lateinamerikanischen Metaphern, die später das Markenzeichen eines großen Teils der lateinamerikanischen Literatur werden sollte und mit Wunderbarer Wirklichkeit (z.B. Alejo Carpentier – auch hier bei Ciao vorgestellt) oder Magischer Realismus (z.B. Gabriel Garcia Marquez – auch hier bei Ciao vorgestellt) bezeichnet wird. Sollte die bisherige Inhaltsbeschreibung den Eindruck eines trockenen Stoffes erweckt haben, so ist dieser Eindruck nicht gerechtfertigt, denn der Roman ist wirklich das, was man sich unter Lateinamerikanischer Literatur vorzustellen hat.
Die Bauern scheinen machtlos… sie können gegen niemand ankämpfen. Die anonymen Mächte der Großfinanz, die von irgendeiner Zentrale, in irgendeiner fernen Metropole über das Wohl und Wehe ganzer Länder entscheiden, sind für die Habenichtse nicht zu fassen. Um sich dieser fremden, unnahbaren Macht irgendwie erwehren zu können, senden die Bauern Hermenegilo Puac zu dem Zauberer Chama Rito Perraj, der – wie sie wissen – für alles einen Rat zu geben weiß. Sollte es keine andere Möglichkeit geben, so soll Hermenegilo Puac den Zauberer bitten, jenem ungreifbaren fremden Willen eine unwiderstehliche Kraft entgegen zu stellen, die nötigenfalls diesen Willen, diese Machenschaften, diese Macht… die alles zugrunde richten sollte.
Chama war bereit den Bauern zu helfen… aber er wollte das nicht ohne Gegenleistung tun. Er forderte das Leben von Hermenegilo Puac und der Bauer stimmte zu… Der Zauberer forderte den Kopf von Hermenegilo Puac und dieser stimmte erneut zu… Der ruinierte Bauer wollte nur Vergeltung, koste es was es wolle. Er wollte eine Kraft, die sein Volk für alle Zeit vom Joch der Company befreit… das war seine Forderung. Dann geschah das Ereignis, das dem Roman schließlich seinen Namen gab: Viento fuerte… der Sturm erhob sich aus rätselhaften Tiefen der Erde. Hermenegilo Puac aber blieb sofort das Herz stehen…er starb weil er keinen hatte, gegen den er kämpfen konnte.
Manche Sachverständige meinen zwar, dass man dem Werk die Eile in der es geschrieben wurde anmerken würde, und dass es, im Vergleich zu seinen anderen Romanen, qualitativ nicht deren Klasse erreichen könne, aber ich finde gerade diese, aus den persönlichen Eindrücken und der Wut des Autors hervor scheinende Unmittelbarkeit äußerst spannend und aufwühlend. Es war für mich, der ich für mich in Anspruch nehme ein politischer Mensch zu sein, nicht eben ein Lesevergnügen… dazu hat es allzu viele Bezüge zu aktuell herrschenden Zuständen. Das Ärgernis ist natürlich nicht der Roman selber und ziehe ich es von meinen sonstigen Empfindungen beim lesen dieses Buches ab, dann erhalte ich in Summe, ein vortreffliches Stück lateinamerikanischer Literatur.
Der Roman kommt natürlich gänzlich ohne jede Namensnennung des Landes oder jener Company aus, was es jeder/jedem interessierten Leserin/Leser ermöglicht, den Roman ohne weitere Geschichtskenntnisse zu lesen. MAA ist es gelungen, mir mit einer wunderbaren Sprache, seine Welt zu beschreiben und mich mitzunehmen in eine Vergangenheit, die leider immer noch Gegenwart ist. Als Kritik könnte ich anmerken, dass – meiner Meinung nach –der eigentliche Ursprungstext, wie schon erwähnt, jenes 16. Kapitel, das eigentlich in der ursprünglichen Konzeption als eigenständige Erzählung stehen sollte, stilistisch der am besten gelungenste Teil des Romans ist.
Nun, ich gestehe, dass ich bestimmt schon bessere Bücher hier besprochen habe… aber dabei lasse ich trotzdem keinen Zweifel daran, dass MAA einer jener wortgewandten, phantasiebegabten und gleichzeitig politisch engagierten Autoren ist, wie sie vornehmlich in Lateinamerika zu finden sind. Zudem meine ich, dass das Buch auch eine Botschaft enthält, derer wir heutzutage wieder bedürfen… der wir eigentlich immer bedurft haben, es aber zeitweise vielleicht nicht so ganz wahrhaben wollten. Dabei wäre es tatsächlich unsinnig, das Werk als politisches Buch zu verkaufen; das ist es ganz sicher nicht. Aber der Roman beruht nun mal auf einer Realität, die auch über fünfzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen noch wirkt.
Der Guatemalteke MAA hat hier eine beeindruckende Schöpfung als Essenz seiner Erlebnisse vorgelegt. Ich sollte nicht verschweigen, dass mich – neben den bereits erwähnten aufrüttelnden Darstellungen einer in weiten Teilen der Welt aktiven Politik der Zerstörung von Lebensverhältnissen – seine eindringliche und nahe gehende Erzählweise begeistert hat. In seinem Schreiben fand ich viele Einflüsse zusammen gebracht, die aus seiner (tropischen) Herkunft, seinen kulturellen (indianischen) Wurzeln, seiner (auch europäischen) Erziehung herrühren und das macht für mich seinen sprachlichen Reiz aus, den es bestimmt für Viele neu zu entdecken gilt.
Wilfried John
„Sturm“
Miguel Angel Asturias
246 Seiten – Taschenbuch
Verlag: Lamuv – Tb 74
ISBN 3-8897-7226-9
8.40 Euro
1. Nachsatz. Wer sich einen ersten Eindruck über die Machenschaften der United Fruit Company – die übrigens heute Chiquita heißt – verschaffen möchte, dem sei der ein Artikel im Stern empfohlen: www.stern.de/politik/ausland/135676.html?eid=501298
2. Nachsatz. Alternativen zu diesem System von ruinösem Wettbewerb sind möglich… auch wenn uns die medialen Wasserträger des Systems anderes vorgaukeln möchten. Z.B. gibt es für unsere Wirtschaftsgesellschaft schon lange die Thesen der Memo-Gruppe: http://www.memo.uni-bremen.de und für den internationalen Handel, den „fairen Handel“: http://www.transfair.org
3. Nachsatz. Als weiter Leseempfehlung seinen – in chronologischer Reihe – seine wichtigsten Werke genannt. Voran die jedoch die beiden weiteren Romane der Bananentrilogie:
„Der grüne Papst“
Verlag: Lamuv Taschenbuch 89
ISBN 3-88977-246-3
„Die Augen der Begrabenen“
Verlag: Lamuv – Taschenbuch 100
ISBN 3-8897-7246-3
* * *
„Legenden aus Guatemala“
Verlag: Suhrkamp – Gebundene Ausgabe
ISBN: 3-5180-1358-0
„Der Herr Präsident“
Verlag: Rowohlt – Broschiert
ISBN: B0000BFYG9
„Die Maismenschen“
Verlag: Lamuv – Broschiert
ISBN: 3-9215-2192-0