Rom Band 2

Emile Zola – Rom Band 2

248 Seiten – Taschenbuch

Verlag: tredition – Aus März 2012

ISBN-10: 3847237438

ISBN-13: 978-3847237433

Wohltätigkeit – Die Verschleierung der Ursache

Eine Bibliothek ohne die Klassiker, auch wenn sie nicht den bevorzugten Lesestoff enthalten mögen, ist keine richtige Bibliothek. Wenigstens eine Ecke sollte für die Klassiker der Weltliteratur reserviert sein. Jetzt könnte man natürlich trefflich darüber streiten, welche Autoren und/oder Werke zu dieser Klassischen Literatur gezählt werden müssen. Kein Streit kann es aber um diesen Autor und dessen Werk geben… dieser Autor gehört unbedingt auf die Liste: Émile Zola.

Émile Zola, 1840 in Paris geboren, arbeitete als freier Journalist und Autor. 1898 setzte er sich mit seinem „J‘ accuse“ (deutsch „Ich klage an…) für den zu Unrecht verurteilten Dreyfus ein und wurde zu Gefängnis sowie einer Geldstrafe verurteilt, konnte jedoch nach England entfliehen. 1899 kehrte er nach einer Amnestie zurück. Zola gilt als der Hauptvertreter des europäischen Naturalismus. Zola war aber nicht nur ein schon zu Lebzeiten sehr erfolgreicher Schriftsteller, sondern er war auch ein sehr aktiver – und deshalb auch bekannter – Journalist, der aus einer politisch gemäßigt linken Position schrieb. Zola starb am 1902 in Paris. 

Zola machte sich die geniale Idee von Honoré de Balzac (auch von mir hier vorgestellt) zu eigen und konzipierte die meisten seiner Romane als Teile eines Zyklus. So entstanden seine berühmtesten Romane sozusagen als Fortsetzungs-Geschichten (die aber auch als eigenständige Werke gelten). In Frankreich gilt Zola als einer der Großen der nationalen Literatur. Sein Werk, hauptsächlich seine Romane, sind sehr populär und werden auch heute noch gerne gelesen. Mehrere seiner Romane wurden bald nach ihrem Erscheinen auf die Bühne gebracht und erfolgreich aufgeführt. In späteren Zeiten wurden Zola-Romane ebenso erfolgreich verfilmt.

Das hier zu besprechende Werk ist der zweite Teil des dreiteiligen Romanzyklus „Trois Villes“ (Drei Städte – gemeint sind Lourdes, Rom und Paris). Der Zyklus entstand in den Jahren 1894 bis 1898. Den Auftakt der Reihe bildet „Lourdes“ (Erscheinungsjahr 1894 – hier in der Kindle-Ausgabe der Band 1), gefolgt mit „Rom“ (zwei Jahre erschienen – der hier vorliegende Band 2) und weitere zwei Jahre darauf erschien (der dritte Band) „Paris“. Das zu erwähnen erscheint mir deswegen wichtig, weil Zola in den Romanen eine Haltung einnimmt, die sich nur aus der Zeit erklären lässt; wie alle Werke der Kunst immer auch aus der Zeit ihres Entstehens heraus erklärt werden müssen.

Zolas Protagonist in allen drei Bänden ist ein junger idealistischer katholischer Priester, der im Laufe der Handlung dieser Roman-Reihe erkennen muss, dass alle seine auf die Katholische Kirche bezogenen Ideale nichts als Illusionen gewesen sind. Die im ersten Band beschriebene Pilgerfahrt nach Lourdes, erfüllte mitnichten seinen Wunsch, dass er dadurch in seiner Glaubensfestigkeit „geheilt“ werde; im Gegenteil. Er lernte eine bittere Lektion: Wohltätigkeit (selbst wenn sie noch so gut gemeint ist), beseitigt die Ursache von Armut und Elend nicht.

Seine Einsicht und seinen Protest gegen die Zustände, das Elend, gegen das Wohltätigkeit eben nichts ausrichten kann, das womöglich durch bloße Wohltätigkeit nur noch länger aufrecht erhalten bleibt, schreibt Pierre das (fiktive) Buch „La Rome nouvelle“. Immer noch Priester, meint er, dass er die Katholische Kirche reformieren müsse, da sie zur Stütze des Systems der Reichen und Mächtigen geworden sei. Ganz im Sinne der Katholischen Sozialethik wollte er sich für soziale Veränderungen einsetzen. 

Aber seltsamerweise will die Katholische Kirche seinen Einfall gar nicht gutheißen, sondern der Vatikan setzt sein Buch auf den Index. Das will er sich nicht gefallen lassen und reist nach Rom, um vor Ort sein Buch zu verteidigen. Was er allerding im Zentrum seiner Religion erlebt ist noch schlimmer als der Anlass für sein Buch: Intrigen, Hass, Ehrgeiz, Korruption und Pomp konfrontiert. Nach Wochen des Wartens empfängt der Papst ihn zwar, aber er ist gegen jegliche Veränderung. „La Rome nouvelle“ bleibt indiziert. Pierre kommt zum Schluss, dass Religion und Wohltätigkeit (Almosen) die Ursachen für Armut nicht beseitigen können.

Auch 120 Jahre später liest sich dieser Roman nicht wie ein weltfremdes, aus der Zeit gefallenes Stück Literatur. Möglicherweise liegt das an der Aktualität des Themas: Ungeheuerliche Skandale erschüttern eine offensichtlich reformunfähige Katholische Kirche, die sich mit Vorliebe um sich selbst kümmert, anstatt ihrem Anspruch – für die Menschen da sein zu wollen – auch nur entfernt gerecht zu werden. Gewiss, aus heutiger Sicht kann man Zola vielleicht ein naives Sendungsbewusstsein vorwerfen, das ihn eine gesellschaftliche Perspektive „predigen“ lässt, die sich als unhaltbar herausstellte. 

Aber – ich verwies auf die Entstehungszeit der Romane – die meisten Utopisten jener Zeit (zumal im Lande Jules Vernes – Frankreich), waren erfüllt von den Vorstellungen, wofür man all die naturwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der Zeit zur Anwendung bringen könnte. Auch die Sozialutopien des neunzehnten Jahrhunderts werteten die Technik in beispielloser Weise auf – sie sollten zum eigentlichen Fundament einer neuen Gesellschaft werden. Nun, dass es vielleicht etwas anders kam als die Sozialutopisten es sich vorgestellt haben, ändert nichts daran, dass Zolas Werk auch nach über 120 Jahren thematisch noch in weiten Teilen aktuell ist – das ist Weltliteratur und gehört allein deswegen schon, jede gut sortierte Bibliothek. Ich hoffe, meine Bemerkungen waren hilfreich…

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