Rom Band 3

Emile Zola – Rom Band 3

236 Seiten – Taschenbuch

Verlag: tredition – Aus März 2012

ISBN-10: 3847235214

ISBN-13: 978-3847235217

Selten werden Reiche die Interessen der Armen vertreten

Eine Bibliothek ohne die Klassiker, auch wenn sie nicht den bevorzugten Lesestoff enthalten mögen, ist keine richtige Bibliothek. Wenigstens eine Ecke sollte für die Klassiker der Weltliteratur reserviert sein. Jetzt könnte man natürlich trefflich darüber streiten, welche Autoren und/oder Werke zu dieser Klassischen Literatur gezählt werden müssen. Kein Streit kann es aber um diesen Autor und dessen Werk geben… dieser Autor gehört unbedingt auf die Liste: Émile Zola.

Émile Zola, 1840 in Paris geboren, arbeitete als freier Journalist und Autor. 1898 setzte er sich mit seinem „J‘ accuse“ (deutsch „Ich klage an…) für den zu Unrecht verurteilten Dreyfus ein und wurde zu Gefängnis sowie einer Geldstrafe verurteilt, konnte jedoch nach England entfliehen. 1899 kehrte er nach einer Amnestie zurück. Zola gilt als der Hauptvertreter des europäischen Naturalismus. Zola war aber nicht nur ein schon zu Lebzeiten sehr erfolgreicher Schriftsteller, sondern er war auch ein sehr aktiver – und deshalb auch bekannter – Journalist, der aus einer politisch gemäßigt linken Position schrieb. Zola starb am 1902 in Paris. 

Zola machte sich die geniale Idee von Honoré de Balzac (auch von mir hier vorgestellt) zu eigen und konzipierte die meisten seiner Romane als Teile eines Zyklus. So entstanden seine berühmtesten Romane sozusagen als Fortsetzungs-Geschichten (die aber auch als eigenständige Werke gelten). In Frankreich gilt Zola als einer der Großen der nationalen Literatur. Sein Werk, hauptsächlich seine Romane, sind sehr populär und werden auch heute noch gerne gelesen. Mehrere seiner Romane wurden bald nach ihrem Erscheinen auf die Bühne gebracht und erfolgreich aufgeführt. In späteren Zeiten wurden Zola-Romane ebenso erfolgreich verfilmt.

Das hier zu besprechende Werk ist der dritte Teil des dreiteiligen Romanzyklus „Trois Villes“ (Drei Städte – gemeint sind Lourdes, Rom und Paris). Der Zyklus entstand in den Jahren 1894 bis 1898. Den Auftakt der Reihe bildet „Lourdes“ (Erscheinungsjahr 1894 – hier in der Kindle-Ausgabe der Band 1), gefolgt mit „Rom“ (zwei Jahre erschienen – hier der Band 2) und weitere zwei Jahre darauf erschien (der hier zu besprechende dritte Band) „Paris“. Das zu erwähnen erscheint mir deswegen wichtig, weil Zola in den Romanen eine Haltung einnimmt, die sich nur aus der Zeit erklären lässt; wie alle Werke der Kunst immer auch aus der Zeit ihres Entstehens heraus erklärt werden müssen.

Zolas Protagonist in allen drei Bänden ist ein junger idealistischer katholischer Priester, der im Laufe der Handlung dieser Roman-Reihe erkennen muss, dass alle seine auf die Katholische Kirche bezogenen Ideale nichts als Illusionen gewesen sind. Die im ersten Band beschriebene Pilgerfahrt nach Lourdes, erfüllte mitnichten seinen Wunsch, dass er dadurch in seiner Glaubensfestigkeit „geheilt“ werde; im Gegenteil. Er lernte eine bittere Lektion: Wohltätigkeit (selbst wenn sie noch so gut gemeint ist), beseitigt die Ursache von Armut und Elend nicht.

Auch mit seinem aufrüttelnden Buch „La Rome nouvelle“, mit dem er die Katholische Kirche reformieren wollte, ist er – wie im zweiten Band beschrieben – grandios gescheitert. Und nun wird im dritten Band erzählt, wie er sich vorstellt, dass eine gerechte Gesellschaft etablieren werden könne. Zola stellt im Roman, die katastrophale Lage der unteren Klassen in Paris am Ende des 19. Jahrhunderts, der Dekadenz, dem Luxus der Großbürger gegenüber. Sein Protagonist stellt fest, dass von der etablierten Politik ist keine Lösung zu erwarten ist, da sie selbst zu sehr in dem System verstrickt ist (zu der Zeit datiert auch die sog. Panamaaffäre, die das Parlament erschüttert und zu einem gesellschaftlichen Skandal führt).

Gleichzeitig wird Paris von anarchistischen Attentaten heimgesucht. Einige Politiker verstehen es, von ihren dunklen Machenschaften abzulenken, indem sie das Interesse der Bevölkerung auf die anarchistische Gefahr lenken. Pierre, der die anarchistische Gewalt ablehnt, setzt sich mit verschiedenen politischen Strömungen auseinander, die eine gerechtere Gesellschaft fordern. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass nur die Wissenschaft Fortschritt und somit eine gerechtere Gesellschaft ermögliche. Pierre legt sein Priestergewand ab. Er findet sein Glück, indem er Marie (seine Freundin aus Band 1) heiratet, die in ihrem stillen Atheismus das gesunde und fruchtbare Leben vertritt.

Auch 120 Jahre später liest sich dieser Roman nicht wie ein weltfremdes, aus der Zeit gefallenes Stück Literatur. Möglicherweise liegt das an der Aktualität des Themas: Ungeheuerliche Skandale erschüttern eine offensichtlich reformunfähige Katholische Kirche, die sich mit Vorliebe um sich selbst kümmert, anstatt ihrem Anspruch – für die Menschen da sein zu wollen – auch nur entfernt gerecht zu werden. Gewiss, aus heutiger Sicht kann man Zola vielleicht ein naives Sendungsbewusstsein vorwerfen, das ihn eine gesellschaftliche Perspektive „predigen“ lässt, die sich als unhaltbar herausstellte. 

Aber – ich verwies auf die Entstehungszeit der Romane – die meisten Utopisten jener Zeit (zumal im Lande Jules Vernes – Frankreich), waren erfüllt von den Vorstellungen, wofür man all die naturwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der Zeit zur Anwendung bringen könnte. Auch die Sozialutopien des neunzehnten Jahrhunderts werteten die Technik in beispielloser Weise auf – sie sollten zum eigentlichen Fundament einer neuen Gesellschaft werden. Nun, dass es vielleicht etwas anders kam als die Sozialutopisten es sich vorgestellt haben, ändert nichts daran, dass Zolas Werk auch nach über 120 Jahren thematisch noch in weiten Teilen aktuell ist – das ist Weltliteratur und gehört allein deswegen schon, jede gut sortierte Bibliothek. Ich hoffe, meine Bemerkungen waren hilfreich…